Tuesday, January 31, 2006

Das Problem der Bildung

Ihr habt euch vielleicht schon mal gefragt, wie denn alles so passiere. Und seid sicher auch mal an die eine oder andere Verschwörungstheorie geraten und einfach nicht verstehen können, dass so etwas, was wir heute Kultur, Lebenswelt oder welche Begriffe Ihr auch immer dafür einfügt, entstehen kann. Ich zeig Euch jetzt ein ganz besonderes Zitat; aus dem vierten Band sämtlicher Schriften von Karl Löwith, Teil II, Kapitel III. auf Seite 366:

"Davon, dass es noch möglich wäre, dass ein Mensch sich rein aus seinen eigenen Antrieben heraus bildete, davon ist längst keine Rede mehr. Die Not ist zu gross, man kann die Menschen nicht mehr machen lassen, sie bedürfen eines allgemeinen Stempels, damit jeder in das Ungetüm, welches man das moderne Leben nennt, auf jeden Fall hineinpasse."
Burckhardt (an Kinkel, 1846)

Das Kapitel beginnt dann so: "Das humanistische Bildungsideal wurde in Deutschland von W. v. Humboldt entworfen und an den Universitäten verwirklicht. Es ist heute nicht einmal mehr in Verteidigungsstellung..."

Tja, so ist das halt eben beschlossen worden. Gehen wir noch kurz - bevor ich schlafen gehe - einen Schritt weiter. Ich behaupte, dass der Gedanken im Zitat Burkhardts nur entstehen kann, wenn man gewisse Vorannahmen denkt, an die man sich anpassen muss, und dass mit diesen allem Denken vorausgesetzten Annahmen auch dieses moderne Leben, an welches man sich anpassen müsse, wie selbstverständlich entsteht. Diese gewissen Annahmen sind - zumindest wissenschaftlich - unzulässige Objektivationen von Annahmen, die der Autor, in diesem Falle Burkhardt und die Objektivation "modernes Leben als Ungetüm", denkt. Das stellt doch der Argumentation Burckhardts ein Bein, denn wenn das Denken und der damit verbundene Lebensvollzug das moderne Leben produziert, wie ich das behaupte, dann sind wir eben wirklich für das Leben, das wir leben verantwortlich. Das ist banal, meiner Meinung nach ist es aber in dem Moment nicht mehr banal, wenn wir auf allen Ebenen diese impliziten Objektivationen nicht mehr einsetzen. Wenn wir sagen, wir seien für unser Leben verantwortlich, dann ist Leben eine solche Objektivation, der keine Realität ausser im Denken als Begriff gegeben werden darf. Wir leben kein "Leben". Was wir tun, ist folgendes: Wir erfahren "Etwas", das wir dann unter sehr vielen sprachlichen Abstraktionen als "Leben" Objektivieren. Das heisst, wir erklären es objektiv, anstatt, dass wir erklären, was wir tun, wenn wir "Leben" objektiv erklären.
Maturana (siehe voriges Post) von dem ich das habe, legt das schön dar in einem Buch mit dem Titel "Vom Sein zum Tun", wo er gewissermassen die metaphysische Suche nach dem Wesen aller Dinge in sich selber schliesst, indem er nicht mehr fragt "Was ist der Sinn des Lebens?", sondern, "was tun wir, wenn wir uns fragen, was der Sinn des Lebens ist". Das erlaubt ihm ohne eine Annahme einer transzendentalen Annahme (für ihn sehr vereinfacht "etwas nicht direkt erfahrbares" etwas komplizierter "etwas das angenommen wird ausserhalb des strukturdeterminierten Systems Mensch") seine Argumentationen, durchzuführen.
Hier gehts dann mal weiter...oder im Kreis...5

Der Karl Löwith ist ein Geschichtsschreiber, der zum Denken Deutschlands im 19. Jahrhundert eine Schrift mit dem Namen "Von Hegel zu Nietzsche - Der revolutionäre Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts" verfasst hat, das laut meinem Hermeneutik-Professor mittlerweile als Klassiker gilt. Mir gefällt das Buch sehr, es schlägt schöne grosse Bogen/Bögen.

4 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Zuerst: Offiziell bildet man den Plural von Bogen ohne Umlaut, also Bogen. Im südlichen Teil des deutschen Sprachraumes gibt es allerdings die Variante mit Umlaut, also Bögen. --> Besser Bogen!

Und wenn ich schon dabei bin: Der Singular von Gedanken heisst Gedanke...

Wieso ich so pingelig bin? Auch mir wurde ein Stempel aufgedrückt...

Nun zum Inhalt: Ich finde, du tust dem Burckhardt ein wenig unrecht. Du unterstellst ihm, einen Gedanken als objektive Tatsache darzustellen. Nämlich der des modernen Lebens als Ungetüm.

Beim genaueren Lesen kann ich das nicht ganz nachvollziehen, denn er spricht ja vom Ungetüm, welches man das moderne Leben nennt. Das heisst, er weisst selber darauf hin, dass es ein etwas, ein Ungetüm, gibt, welches uns widerfährt und gemeinhin (und dann objektivierend) Leben genannt wird.

Er hätte ja, und das unterstellst du ihm, auch schreiben können: damit jeder in das moderne Leben auf jeden Fall hineinpasse. Verstehst du, was ich meine?

Und obendrein möchte ich gerne wissen, wie Maturana denn der Tatsache, dass keiner sich mehr aus seinen eigenen Antrieben heraus bildete, begegnet oder deiner Meinung nach begegnen würde. Schliesslich ist dieses ja das zu Grunde liegende Problem, welches man nicht mit (aber natürlich unter Berücksichtgung von) Erkenntnistheorien lösen kann.

Ich meine (und da schliesse ich mich Burckhardts Die Not ist zu gross. an): Überall Handys, Filme, Pop, Trash, Ausgang, soziale Gräueltaten unter dem Deckmantel von Freundschaft, und so weiter... aber wer in Herrgotts Namen liest denn noch ein Buch von Maturana?!

Damit verabschiede ich mich und drehe mich wieder im Kreis...3

3/2/06 5:35 AM  
Blogger Frédéric Plume said...

Hallo, also. Natürlich bin ich einverstanden, dass eine Erkenntnistheorie nicht reicht, um derartige Probleme lösen zu können. Allerdings bin ich schwer davon überzeugt, dass (sprachliches) Denken Handeln bestimmt, nicht a priori, aber doch zu einem grossen Anteil. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass mit neuen erkenntnistheoretischen Annahmen Haltungen provoziert werden können, welche denjenigen, der diese Erkenntnistheorie vertritt zu neuem Sinndeutungsverhalten führt und dadruch sein Handeln ändern kann..

Das ist wahrscheinlich auch eine Grundannahme des Buches von Löwith (das Zitat von Burckhart kommt ja daher), das er rund um den zweiten Weltkrieg schrieb. Was führte zu diesen Kriegen? Ich habe es noch nicht gelesen, aber wie dem Inhaltsverzeichnis zu vernehmen ist, sah er in der nihilistischen Welterklärung Nietzsches, die für ihn in einem Zug von Hegel herrührte, gedankliche Probleme, die die Menschen gewissermassen zum So-Denken-Handeln zwangen.

So gesehen ging es mir weniger um den Burckhardt, dem ich tatsächlich ein wenig unrecht tat, als darum, dass neue Gedanken neue Haltungen provozieren können. Und das Erkenntnistheorie nicht im Denken bleiben darf, sondern ins Handeln hinüber getragen werden muss, wenn es Wirkung zeigen soll. Deshalb schreibe ich auch weiter – weil ich darin einen Sinn sehe, nur dass der leider nicht kopierfähig ist. Man kann ja Gedanken nur anbieten, der andere muss sie dann auch nehmen wollen. Respektive ist das Knifflige, einen ganz günstigen Moment zu finden, in dem bestimmte Information, neue Sinndeutung bewirkt. Aber da ich leider noch keine solche Methode beherrsche, sag ichs einfach mal so, z.B. in meinem Blog

5/2/06 3:34 PM  
Anonymous Anonymous said...

Einverstanden.

Und da wir schon bei Maurana waren, stellen wir noch den Heinz auf den Plan. Ich zitiere aus Wissenschaft des Unwissbaren:

Wie immer man Zellen, sagen wir die der Netzhaut, erregen möge, elektrisch, mechanisch, chemisch etc., die Empfindungen sind immer Licht!
Es gehört zu den für mich faszinierenden soziokulturellen Phänomenen, dass trotz dieses Verständnisses, das in Schulen gelehrt und in Lehrbüchern geschrieben wird, immer noch von einer "Repräsentation" oder gar einer "Abbildung" eines "Aussen" auf ein "Innen" gesprochen werden kann, wenn von Wahrnehmung die Rede ist.


Dieses hübsche Beispiel zeigt (und ich kenne es aus meinem Uni-Alltag nur zu gut) sehr schön die Differenz zwischen Wissen und Verstehen. Oder Verstehen und Begreifen... Jedenfalls wäre es gerade bei diesem Thema doch schampar wichtig, die Implikationen dieser Erkenntnisse zu vermitteln.

Denn wahrscheinlich (ich teile diesen Glauben mit dir) wird das Verhalten eines Menschen, der nicht mehr in langweiligen Kategorien wie Innen und Aussen denkt, sich zwangsläufig verändern. Übrigens zum Guten.

Untermauerung Ende.

8/2/06 8:03 AM  
Anonymous Anonymous said...

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